Sonderausstellung
26. September 2023
bis 14. Jänner 2024

Ausstellung beendet

Raffael
Gold & Seide

Die faszinierende
Welt der Tapisserien

Die große Herbstausstellung des Kunsthistorischen Museums Wien widmet sich monumentalen Tapisserien.

Im Auftrag von Papst Leo X. schuf der bedeutende Maler Raffaello Sanzio da Urbino, gen. Raffael (1483–1520), die berühmte Serie mit Darstellungen des Lebens und der Wundertaten der Apostel Petrus und Paulus für die Sixtinische Kapelle in Rom.
Er setzte damit wesentliche Impulse für die flämische Tapisserie-Kunst.

Zu den faszinierenden Highlights der Schau zählen neben einzigartigen Werken der Renaissance in „Gold & Seide“ u. a. Tapisserien mit Darstellungen der sieben Todsünden nach Entwürfen des bedeutenden Tapisserie-Designers Pieter Coecke van Aelst (1502–1550).

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Serientitel: Darstellungen des Lebens und der Wundertaten der Apostel Petrus und Paulus
Entwurf: Raffaello Sanzio da Urbino (Urbino 1483–1520 Rom) und Werkstatt, um 1515/16
Hergestellt unter Pieter Coecke van Aelst, Brüssel, vor 1521
Wolle, Seide, Edelmetallfäden; H. 488 cm, B. 631 cm
Vatikanstadt, Musei Vaticani, Inv.-Nr. 43870

Tapisserien für
Papst Leo X.

Im 16. Jahrhundert sollte Brüssel zur Hochburg der Tapisserie-Produktion avancieren. Hier hatte sich auch ein eigenständiger niederländisch-flämischer Stil manifestiert.

Tapisserie

Das Wort Tapisserie lässt sich vom griechischen τάπης und dem lateinischen tapetum (Teppich, Decke, Wandteppich, Tapete) herleiten.

Zur Herstellung werden Kettfäden in einem Webstuhl gespannt und im rechten Winkel hierzu farbige Schussfäden mit der Hand eingeführt. Sie werden nur an jenen Stellen eingesetzt, wo sie gemäß einer Vorlage benötigt werden. Die Wirkerei ist selbsttragend: Erst durch das einer Mustervorlage folgende Zusammenführen von Kett- und Schussfäden entsteht ein festes textiles Gewebe.

Als wesentlicher Impuls für die Entwicklung erwies sich ein Auftrag des Medicipapstes Leo X. (1475–1521).

Er gab 1515 beim italienischen Maler Raffael die Entwürfe für eine zehn Tapisserien umfassende Serie mit einem biblischen Thema in Auftrag: Darstellungen des Lebens und der Wundertaten der Apostel Petrus und Paulus.

Sie waren als inhaltliche Ergänzung und Schmuck der unteren Wandzone der Sixtinischen Kapelle im vatikanischen Palast in Rom bestimmt; hergestellt wurden sie allerdings in Brüssel.

Gegenseite: Pax, Iustitia und Abundantia
Ab 1521
Bronze (Guss)
Kunsthistorisches Museum Wien, Münzkabinett, Inv.-Nr. 5071bβ

Giovanni Pietro Bellori (Rom 1613–1696 Rom)
Mit Lebensbeschreibung des Raffael von Giorgio Vasari
Rom, 1751
Kunsthistorisches Museum Wien, Bibliothek, Inv.-Nr. 110.912

Giorgio Vasari:
Künstler und Biograf

Giorgio Vasari (1511–1574) war ein italienischer Künstler und Biograf. Als sein Hauptwerk gelten die 1550 erstmals im Druck erschienenen Viten zahlreicher italienischer Maler, Bildhauer und Architekten, die er Cosimo I. de’ Medici widmete. Vasari sind wichtige Informationen über das Leben Raffaels zu verdanken sowie Kommentare zu dessen Arbeiten:

„Dieses Werk [gemeint ist die Apostelserie] wurde auf so wundersame Weise ausgeführt, daß der Anblick Verwunderung hervorruft und man versucht, zu verstehen, wie es möglich sein kann, die Haare und die Bärte [solchermaßen] gewebt darzustellen und mit dem Faden dem Fleisch Weichheit zu geben. Das Werk erscheint eher als ein Wunder denn als das Werk eines Menschen, weil es in ihm Wasser, Tiere, Häuser gibt, die so gut gemacht sind, daß sie nicht wie gewebt erscheinen, sondern eigentlich eher wie mit dem Pinsel gemalt.“

Giorgio Vasari (1511–1574)

Der Weg zum finalen
Tapisserie-Entwurf

Raffael begann die Arbeiten an der Apostelserie wohl mit dem Entwurf für den Wunderbaren Fischzug.

Mehrere Zeichnungen belegen die Entwicklung der Komposition, die eine grundlegende Veränderung erfahren hat: Nachdem der Fischzug zunächst im Hintergrund positioniert war, rückt der Künstler das Sujet schließlich in den Bildvordergrund. In dieser Zeichnung Raffaels kniet Petrus anlässlich des reichen Fischfangs vor Christus nieder; hinter ihm steht Andreas angesichts des Wunders mit raumgreifender Geste.

Raffaello Sanzio da Urbino (Urbino 1483–1520 Rom)
Um 1515
Feder in Braun über Vorzeichnung in schwarzem Stift, braun laviert, weiß gehöht; H. 22,9 cm, B. 32,7 cm
Wien, Albertina, Inv.-Nr. 192r

Serientitel: Szenen aus der Apostelgeschichte
Entwurf: Raffaello Sanzio da Urbino (Urbino 1483–1520 Rom) und Werkstatt, um 1515/16
Hergestellt unter Jakob I. Geubels († vor 1605), Brüssel, um 1600
Wolle, Seide; H. 413 cm, B. 408 cm
Kunsthistorisches Museum Wien, Kunstkammer, Inv.-Nr. T CIII/1

Wie entsteht
eine Tapisserie?

Serientitel: Szenen aus der Apostelgeschichte
Entwurf: Raffaello Sanzio da Urbino (Urbino 1483–1520 Rom) und Werkstatt, um 1515/16
Hergestellt unter Jakob I. Geubels († vor 1605), Brüssel, um 1600
Wolle, Seide; H. 413 cm, B. 408 cm
Kunsthistorisches Museum, Kunstkammer, Inv.-Nr. T CIII/1

Eine der erfolgreichsten
Tapisserie-Serien

Keine Tapisserie-Serie ist so häufig kopiert worden wie die Apostelserie nach Entwürfen Raffaels. Nahezu fünfzig Editionen sind im Laufe der Jahrhunderte in flämischen, englischen und französischen Manufakturen entstanden.

Zu ihnen gehören in Wien erhaltene, um 1600 in Brüssel angefertigte Tapisserien, denen Kopien der Raffaelschen Kartons zugrunde lagen, die teilweise verkleinert wurden.

Karton

Die Herstellung von Tapisserien ist in drei Arbeitsschritte unterteilt.

Zunächst wurde von einem Künstler ein Entwurf (petit patron) angefertigt, der von einem oder mehreren Spezialisten in einen original großen Karton (grand patron) überführt wurde. Die Kartons dienten den Wirkern als Basis für ihre Arbeit, wobei ihre Kunstfertigkeit maßgeblich das Aussehen und die Güte des Wandbehangs beeinflusste.

Werkstattmitarbeiter
Giovanni da Udine

In die Entwicklung und Ausarbeitung der Entwürfe und Kartons für die Apostelserie haben sich die Mitarbeiter in Raffaels Werkstatt bisweilen mit großer Eigenständigkeit eingebracht.

Das Giovanni da Udine zugeschriebene Blatt mit Kranichen und Adlern ist eine vorbereitende Studie für die im Vordergrund des Wunderbaren Fischzugs platzierten Vögel. Raffael hat den Künstler nicht zuletzt aufgrund solcher nach der Natur gefertigten Tierdarstellungen sehr geschätzt.

Giovanni da Udine (1487–1564), zugeschrieben
Um 1515
Feder, Tinte, Wasserfarbe, Unterzeichnung in schwarzer Kreide; H. 31,8 cm, B. 41,8 cm
Wien, Albertina, Inv.-Nr. 48641r

Antikenrezeption

Raffael zeigte sich nachhaltig beeindruckt vom Fund einiger Marmorskulpturen des sogenannten Kleinen Attalischen Weihgeschenks  1514 in Rom im Bereich des antiken Marsfeldes. Diese können auf griechisch-hellenistische Bronzen zurückgeführt werden. Der Künstler zitiert die raumgreifenden Posen einiger Skulpturen dieser Figurengruppe in seiner Tapisserie Der Tod des Ananias.

19. Jahrhundert
Nach einer Marmorskulptur des 2. Jahrhunderts n. Chr., nach einem hellenistischen Original Gips
Universität Göttingen, Archäologisches Institut und Sammlung der Gipsabgüsse, Inv.- Nr. A 440

Serientitel: Darstellungen des Lebens und der Wundertaten der Apostel Petrus und Paulus
Entwurf: Raffaello Sanzio da Urbino (Urbino 1483–1520 Rom) und Werkstatt, um 1515/16
Hergestellt unter Pieter Coecke van Aelst, Brüssel, vor 1521
Wolle, Seide, Edelmetallfäden; H. 488 cm, B. 631 cm
Vatikanstadt, Musei Vaticani, Inv.-Nr. 43870

Inspiration Raffael

Die flämische Tapisserie in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts

Die Charakteristika der Apostelserie Raffaels sollten die in Flandern im Tapisserie-Design tätigen Künstler, allen voran Barend van Orley (1488–1541), nachhaltig prägen. Van Orley war bereits früh in seiner Karriere in spektakuläre Tapisserie-Projekte involviert.

Zu seinen wichtigsten Nachfolgern gehörten Pieter Coecke van Aelst (1502–1550) und Michiel Coxcie (um 1499–1592), die mit großem Selbstverständnis die Innovationen Raffaels sowie van Orleys fortführten.

Auf Coecke van Aelst gehen einige der beeindruckenden Tapisserien des Kunsthistorischen Museums zurück.

Unter ihnen findet sich eine Serie mit Darstellungen der sieben Todsünden, deren heroische Figuren nach dem Vorbild Raffaels eindrucksvoll die Folgen der Sünden erzählen. Die Protagonisten agieren in einem perspektivisch überzeugenden landschaftlichen Umfeld in einem Triumphzug.

Serientitel: Die sieben Todsünden
Entwurf: Pieter Coecke van Aelst (Aalst 1502–1550 Brüssel), um 1533/34
Hergestellt unter Willem de Pannemaker (um 1510–1581), Brüssel, um 1548/49
Wolle, Seide, Edelmetallfäden
Kunsthistorisches Museum Wien, Kunstkammer, Inv.-Nr. T XXXV/5

Die personifizierte Trägheit sitzt auf ihrem von zwei lustlosen Eseln gezogenen Triumphwagen, der bereits einige ihrer Opfer überrollt.

Angeführt wird der Tross von Somnus, dem Schlaf, dessen Fahne eine Schnecke ziert.

Die beiden monumentalen Figuren eines älteren und eines jüngeren Mannes im Bildvordergrund könnten Alexander den Großen und seinen Lehrer Aristoteles darstellen, welcher den jungen makedonischen Prinzen vor einem von Faulheit und Hemmungslosigkeit geprägten Leben bewahrte.

Faszination Raffael

Überführung seiner Fresken in Tapisserien

Von der über die Jahrhunderte währenden Faszination der Werke Raffaels gibt der Umstand Zeugnis, dass seine Fresken im Vatikanischen Palast im 17. Jahrhundert maßstabgetreu kopiert wurden, um anschließend in Tapisserien reproduziert zu werden.

Serientitel: Tapisserien nach Fresken Raffaels im Vatikan
Entwurf: Raffaello Sanzio da Urbino (Urbino 1483–1520 Rom), 1509/11
Hergestellt unter Pierre-François Cozette (1714–1801) und Michel Audran (1701–1771) in der Manufacture Royale des Gobelins, Paris, 1765–1771
Wolle, Seide; H. 459 cm, B. 790 cm
Kunsthistorisches Museum Wien, Kunstkammer, Inv.-Nr. T XIII/2

Hier diente Raffaels populäres Fresko Die Schule von Athen aus der Stanza della Segnatura als Vorlage. Der komplexe Bildinhalt ist der philosophischen Geisteshaltung des antiken Griechenlands sowie den artes liberales, den sieben freien Künsten, gewidmet. Im Zentrum stehen der Philosoph Platon und der Universalgelehrte Aristoteles, während am vorderen linken Bildrand, mit Bacchuskranz bekrönt, der griechische Philosoph Epikur in ein Buch schreibt.

Ausstellung beendet